Willkommen bei Nightshade
Wähle: Onlineshop | Magazin
Name: Passwort: | Passwort vergessen? | Registrieren



Interview (Musik)Blättern: Vorheriger Artikel | Nächster Artikel

Divamee

So langsam entwickelt sich die Form des wechselseitigen Email-Interviews zu einer meiner Lieblingsvarianten. Es ist einfach schön entspannt, nach und nach Mails hin und her zu schicken, aus denen sich dann letztlich ein reflektiertes und aussagekräftiges Gespräch entwickelt.
Sicher ist dies aber auch nur mit einem geeigneten, aufgeschlossenen und intelligenten Interviewpartner möglich, den ich in Lysz von Divamee eindeutig gefunden habe. Wochenlang gingen nun die Mails hin und her, eine Zeit die neben diesem Interview auch eine tiefe musikalische und private Verbundenheit mit sich brachte.
Und die mir so manches Mal ein Lächeln auf die Lippen bescherte...

Otti:
Mit Divamee hast Du ein neues musikalisches Projekt erschaffen, welches sich mit Themen wie "Tierschutz" aber auch Gefühlen und Liebe beschäftigt.
Auf der Homepage heißt es "Divamee ist eine Herzensangelegenheit von Lysz". Ist es nicht gefährlich, soviel persönliches von sich derart öffentlich preiszugeben?
Lysz:
Nein, das glaube ich nicht. Jeder Schritt in die Öffentlichkeit birgt an sich ja schon Gefahren, aber auch Chancen - jede Meinung hat Gegner und Befürworter. Ich möchte mit meinem Engagement wachrütteln, informieren und auch Vorbild sein. Und das geht nun mal nur über Ehrlichkeit, Authentizität und Offenheit meinerseits. Die Gefahr für mich hierbei bestünde doch lediglich darin, dass ich angreifbar werde. Na und? Soll man mich doch dafür angreifen, dass für mich keine Tiere sterben. Oder dafür, dass ich mich neben dem Kampf gegen Kindesmissbrauch für eine bessere (Um-)Welt einsetze. Ich bin nicht einfach nur eine Träumerin, ich lebe meinen Traum. Und wer damit nicht klarkommt, soll mich angreifen ;)


"Wenn wir wieder wüssten, wer wir sind, und wir einfach nur wollten, könnten wir diese Welt sofort von jetzt auf gleich ändern."

Otti:
Vielen unserer Leser bist Du wahrscheinlich noch aus deiner Zeit bei Welle: Erdball bekannt. Wie blickst Du auf diese Epoche deines Lebens zurück? Und wie hoch siehst Du die Gefahr, daß Divamee von Journalisten und Fans nicht unvorbelastet betrachtet wird?
Lysz:
Jede Zusammenarbeit, jede Beziehung, die beendet wird, sieht man im Nachhinein sicher mit gemischten Gefühlen. Das ist bei Welle: Erdball und mir nicht anders! Aber obwohl ich viel gelernt habe in dieser Zeit und diese 5 Jahre meines Lebens auf der Bühne nicht missen möchte, habe ich meine Entscheidung zu gehen bislang nicht bereut: Divamee gibt mir die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln. Diese Chance nicht wahrzunehmen, wäre verrückt gewesen ;)
Trotz meiner Namensänderung von "Soraya.vc" in "Lysz" kann und mag ich meine Vergangenheit dennoch nicht verleugnen – sie ist ein Teil von mir. Und obwohl ich Divamee nicht damit bewerbe, vorher bei Welle: Erdball gesungen zu haben, bleibt dies natürlich kein Geheimnis. Unvorbelastet werden somit also weder Journalisten noch Fans sein (können).
Vielleicht werden wir sie überraschen, vielleicht enttäuschen - wir werden sehen.

Otti:
Den Kern von der Band bilden Kim Strange, Abigail und Du. Was verbindet euch drei, und wie seid ihr auf die Idee gekommen zusammen Musik zu machen?
Lysz:
Nachdem meine Idee einer Mädchen-Band (hier schon u. a. mit Abigail) nicht zu verwirklichen war, und sich in dieser Zeit Kim Strange als unentbehrliche Hilfe entpuppte, blieb mir nicht viel anderes übrig, als mich dieser Entwicklung zu stellen. Nicht nur, dass wir drei miteinander befreundet sind und Abigail und Kim Strange schon länger musikalisch arbeiten wollten, auch leben wir unseren Tierschutzgedanken z. B. mit vegetarischer oder veganer Ernährung - was für mich ein wichtiger Punkt bei Divamee ist! Und doch sind wir so unterschiedlich in unseren Erfahrungen und Kenntnissen, dass wir uns vielfach sehr gut ergänzen, was wiederum der Band enorm zu Gute kommt. Die Basis stimmt einfach - besser kann es gar nicht sein!

Otti:
Der Tierschutzgedanke ist ein gutes Stichwort. Wenn man sich so offenkundig bestimmte idealistische Themen aufs Banner schreibt, läuft man da nicht Gefahr, auch nur von den Gleichgesinnten gehört, und von denjenigen, die man aufrütteln möchte, ignoriert zu werden?
Lysz:
Zum Glück ist auch in diesem Punkt unsere Welt nicht nur schwarz oder weiß. Zum einen muss man leider sehen, dass es auch unter den so genannten Gleichgesinnten immer Menschen gibt, die "besser" sind - Divamee oder ich werden in Zukunft aus diesen Reihen vielleicht auch nicht nur Zuspruch erfahren. Zum anderen gibt es wohl kaum einen geeigneteren Weg als die Musik, um "die anderen" zu erreichen und ihnen Gedanken z. B. zum Thema Tierschutz nahe zu bringen, finde ich. Ich selber lese so viele Fach- und Vereinszeitschriften, was sogar mich als interessierte Biologin streckenweise vor allem Kraft kostet. Dagegen gelangen in der Diskothek, mit Freunden zu schönen Melodien tanzend, Tierschutzgedanken sicher leichter ins Unterbewusstsein - ob der Zuhörer sich nun für das Thema begeistert oder nicht! Im Übrigen werden neben voraussichtlich drei Liedern auf unserer ersten CD, die dieses Thema aufgreifen, die weiteren Lieder u. a. von Liebe, Christentum, Kindesmissbrauch oder Vergangenheitsbewältigung handeln. Ich denke, da wird textlich für fast jeden Hörer etwas zu finden sein. Diese Vielfalt ist auch der Grund, warum ich uns nicht als Tierschutz- oder Tierrechtsband darstellen mag: Tierschutz ist zwar mein zentrales Thema, aber eben nicht das einzige!

Otti:
Was würdest Du, abgesehen davon, wie der Mensch die Tiere behandelt, als seine drei größten Fehler betrachten? Und wieso?
Lysz:
Interessante Frage! Hat der Mensch an sich überhaupt Fehler oder ist er perfekt so, wie Gott ihn erschaffen hat? Ich glaube zum einen an Gott (nicht an eine Form von Religion), zum anderen daran, dass alles im Leben einen Sinn hat. Wobei ich damit keinesfalls sagen möchte, dass wir die Verantwortung für unser Handeln an irgendjemanden abgeben können - wir tragen sie trotz "Gott" und "Sinn" ganz alleine. Aber um nun Deine Frage zu beantworten, ohne länger zu philosophieren, würde ich mich auf diese Fehler festlegen: 1. fehlender Glaube an Gott und somit an das Gute und die Liebe auf dieser Welt, 2. fehlender Glaube an sich selbst und die eigene Macht bzw. Kraft und 3. Egozentrik/Egoismus und die hieraus resultierende Bequemlichkeit. Meiner Meinung nach basiert alle Ungerechtigkeit, alles Leid, jede Katastrophe, jede Lüge auf diesen Fehlern. Wenn wir wieder wüssten, wer wir sind, und wir einfach nur wollten, könnten wir diese Welt sofort von jetzt auf gleich ändern. Doch traben wir mehrheitlich leider lieber mit der Herde und lassen uns führen, anstatt selber zu denken, auszusprechen und zu handeln.

Otti:
Da stellt sich mir aber auch die Frage, ist unsere Welt nicht in allem Bipolar? Sind nicht Yin und Yang, das Dunkle und das Helle, das Gute und das Böse, gleichermaßen wichtige Grundlagen der menschlichen Existenz?

Lysz:
Ja, wir haben unsere Welt in vielerlei Hinsicht augenscheinlich bipolar eingeteilt - aber soll das zu einer Lebensberechtigung oder Schuldfreiheit „der Bösen" führen, weil es ohne das Böse kein Gut gäbe? Wir hauchen dem Bösen Leben ein, indem wir uns dafür entscheiden, während wir genauso gut ins Licht gehen könnten. Eine Waagschale kann ich mir in diesem Zusammenhang schwer vorstellen, aber ich bin ja auch keine Philosophin! Ich glaube einfach, wir haben immer eine Wahl, und für unsere Entscheidungen tragen wir alleine jegliche Verantwortung.

Otti:
Der Titel eurer ersten CD wird "Experiment" lauten, und auch die ersten Songs sind vielfältig und experimentell. Das zeugt von Kreativität, kann aber auch bedeuten, daß es schwer wird, ein festes Publikum zu finden. Oder wie siehst Du das?
Lysz:
Ich glaube, mit einer ersten CD gewinnt man bestenfalls interessierte Zuhörer, die sich auf die darauf folgende CD freuen, aber noch kein festes Publikum. Zudem entwickelt sich jede Band im Laufe ihrer Karriere weiter - ich bin sicher, die Hörer gestehen auch uns das zu! Und sogar bei Bands, die nicht so experimentell arbeiten wie wir, findet man auf jeder CD Lieder, die man nicht mag - was soll uns schon mehr passieren? Ich persönlich bewerte gerade diesen "Sampler-Charakter" unserer ersten CD als äußerst spannend und reizvoll - die (Zusammen-) Arbeit ist etwas ganz Besonderes. Ich hoffe, das wird sich positiv auswirken und dementsprechend gut von den Zuhörern aufgenommen! Ansonsten hatten wir von Divamee immerhin viele Stunden voller Spaß und Inspiration miteinander ;)

Otti:
Wie würdest Du denn allgemein Deine Ziele und Träume für Divamee beschreiben?

Lysz:
Unabhängig von dem, was wir ganz offenkundig mit unseren Texten erreichen möchten, wünsche ich mir für die Menschen hinter der Band viele neue Erfahrungen und Gedankenaustausche, das Kennenlernen netter und interessanter Menschen, dass wir unsere Ideale nie verraten, unsere Hörer informieren und musikalisch berühren können und dass wir viele Momente voller Glück und Freude gemeinsam erleben. Da wir allesamt keine ausgebildeten Musiker sind und Divamee als Hobby neben unseren Berufen betreiben, träume ich als höchstes Ziel lediglich davon, auf einem Festival zusammen mit "Emilie Autumn" aufzutreten - ganz egoistisch, um sie kennen lernen zu können!

Otti:
Du hast zu Anfang auch das Thema "Kindesmissbrauch" angesprochen. Woraus glaubst Du, resultiert allgemein der Drang einiger Menschen, anderen, oft schwächeren, sexuelle Gewalt anzutun?
Lysz:
Der Drang, Menschen zu unterdrücken oder zu misshandeln, findet seine Ursache meiner Meinung nach in den Minderwertigkeitskomplexen der Täter: hierdurch fühlen sie sich stärker, überlegener, besser - keine Ahnung, was noch. Soweit kann ich mich ja notfalls noch in deren Lage versetzen und Verständnis in Form von Verstehen, aber nicht Rechtfertigen oder Gutheißen, aufbringen. Aber aus welchen Gründen Menschen andere Menschen oder auch Tiere sexuell für ihre Perversionen missbrauchen, ist mir ein Rätsel, das ich vielleicht auch gar nicht für mich lösen möchte. Gerade weil ich mich sehr für dieses Thema interessiere und engagiere, habe ich eine besondere Sensibilität für missbrauchte Menschen entwickelt, weshalb ich auch etliche (Lebens-) Geschichten erzählen könnte, die mir immer wieder auf´s Neue Tränen in die Augen treiben. Trotz alledem bekomme ich keinen Zugang zu den Tätern, finde keine Erklärung für solch ein Verbrechen. Und obwohl oftmals der Täter in der Vergangenheit selber sexuell missbraucht wurde, ist dies für mich kein Grund, dieses Erbe weiterzugeben, anstatt Hilfe zu suchen. Auch die Tatsache, dass innerhalb einer Familie solch ein Vergehen sogar heute noch bevorzugt totgeschwiegen wird, stellt für mich keinen Grund dar, Erlebtes in gleicher Form anderen anzutun. Solch ein Verhalten des sexuellen Missbrauchs ist immer krankhaft, gehört behandelt, aber nicht toleriert oder bemitleidet, sondern muss mit höchsten Strafen belegt werden, weil hierdurch Leben langfristig zerstört wurde. Nicht wegsehen - aussprechen und handeln! Das sind die Wege, die meiner Meinung nach all dem ein Ende setzen werden.

Otti:
Kennengelernt haben wir beide uns ja auf dem "1. Gothic Aid Benefiz-Festival" in Leipzig. Ihr hattet dort bei euerer Bühnenpremiere leider ein paar technische Probleme, aber wie würdest Du das Festival im nachhinein beurteilen? Und wie siehst Du allgemein die Arbeit des Gothic Aid Vereins?

Lysz:
Mit dem Ausfallen der Monitor-Boxen haben wir nun wirklich nicht gerechnet: man hört weder sich selbst beim Singen noch das Instrumental, an dem man sich tonal und rhythmisch orientieren muss. Es war also ein Desaster, bei dem Künstler wie "Marilyn Manson" mal eben die Bühne zertrümmern – doch nicht nur im Nachhinein betrachtet, auch in der Zeit des Konzerts selber lief es relativ gesehen gut. Die Zuhörer haben uns mit Klatschen und Zurufen unterstützt und wir haben im Anschluss viele Fragen nach einer CD erhalten. Zudem hatten wir ja noch den Vorteil, dass fast niemand unsere Musik kannte - es fiel also vor allem nur uns auf, was wirklich alles anders als geplant lief ;) Abigail z. B. hat vorher noch nie auf einer Bühne gestanden, hat aber sogar mich mit ihrer Show umgehauen: sie stand dort oben, erledigte enthusiastisch ihre Aufgaben und ließ sich nichts von Problemen anmerken. Phantastisch!
Ich weiß jetzt für die Zukunft, dass, egal, was passiert, ich mich auf sie felsenfest verlassen kann - und auch wegen solcher internen Vorkommnisse war das Konzert in Leipzig für Divamee ein großer Erfolg. Und da wir als erste Band aufgetreten sind, fanden wir noch genügend Zeit, uns entspannt die folgenden Bands anzuschauen: wir empfanden das Festival insgesamt als gelungen, wenn auch natürlich nicht perfekt. Der Gothic Aid Verein ist ja kein professioneller Veranstalter, sondern hat hier zum ersten Mal Neuland betreten. Und dafür fand ich deren Arbeit schon beachtlich! Überhaupt finde ich die Idee hinter dem Verein sehr schön und unterstützungswürdig, sonst hätte ich ja auch nicht zugesagt, als die Anfrage für das Festival kam. Eigentlich wollten wir zu dem Zeitpunkt noch gar kein Konzert geben, das sollte erst nach dem Fertigstellen der CD geschehen, aber ich konnte einfach nicht nein sagen ;) Und ich würde sie immer wieder unterstützen, wenn ich kann - denn Menschen, die etwas bewegen wollen, bewundere ich sehr.

Kutami

Otti:
Während ich so gerade "Engel" höre drängt sich mir ein Gedanke auf, zu dem ich gerne deine Meinung wüßte. Kann es sein, daß der zunehmende Werteverfall in unserer Gesellschaft nicht zuletzt daher rührt, daß die Medien uns eine Vielzahl neuer Götzenbilder in Gestalt diverser "Stars" vorsetzen, welche uns das vorleben? Und, daß diese uns teilweise einen Narzismus vorleben, der dazu verleitet, sich selbst in den Mittelpunkt des Universums zu erheben?

Lysz:
Hat Dir schon mal jemand gesagt, dass Du einmalig anspruchsvolle Interview-Fragen stellst?! "Engel" greift ja die (christliche) Kirche/Religion an, die uns auf (Gedanken-) Schienen drängt, nur um Vorteile daraus zu ziehen. Die Medien haben da sicher eine ähnliche Intention, klar. Und genau das ist der Grund, warum ich seit vielen, vielen Jahren keinen Fernseher mehr besitze. Ich lese viel - allerdings auch nur eher Fachbücher und -zeitschriften. Ich kann also gar nichts über gemachte Stars und deren Narzissmus sagen, denn das ist nun wirklich nicht meine Welt.

Otti:
Danke für die Blumen. ;) Man sagt ja auch Religion sei Opium für das Volk, genauso sind es sicher die Medien, seien es nun Fernsehsender oder auch Zeitungen, Zeitschriften etc. Letztlich sind selbst die von dir angesprochenen Fachbücher immer unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, daß Menschen nie vollkommen objektiv sind, und man immer mehrere Quellen befragen sollte, bevor man etwas glaubt. Warum meinst Du sind die meisten Menschen so naiv, daß sie alles schlucken, was man ihnen auftischt?
Lysz:
Das mit dem Opium ist eine nette Umschreibung für diese Art von Volksverdummung! Die Masse wird mit Fernsehen u. ä. ruhig gestellt, damit sie ja nicht auf die Idee kommt, ihre freie Zeit mit Nachdenken zu verbringen. Und natürlich sind sämtliche Informationsquellen, sei es z. B. Fernsehen, Zeitungen oder eben auch die von mir angesprochene Fachliteratur, nicht völlig objektiv - aber darum geht es ja oft auch: eine eigene Meinung, eine Ansicht, Interpretation von Fakten vorzustellen. Jeder Wissenschaftler präsentiert seine eigens erhobenen Ergebnisse der Öffentlichkeit - von ihm vorher interpretiert und diskutiert. Und stellt sie dann zur öffentlichen Diskussion, regt das Nachdenken und Überdenken an. Das funktioniert ja auch und nur so kommen wir gedanklich weiter. Naiv würde ich es nicht nennen, alles zu schlucken, ohne zu hinterfragen - eher dumm, vielleicht auch einfach nur desinteressiert. Es ist ja so wunderbar einfach, die Meinung anderer anzunehmen, ohne sich selbst mit dem Thema auseinandersetzen zu müssen! Werbung ist da ein ganz rotes Tuch für mich. Damit z. B. die Fleischindustrie weiterhin Unsummen an Geld verdient, auf unbeschreibliche Kosten der Tiere natürlich, wird uns vorgegaukelt, Fleisch zu essen wäre gesund. Und dabei ist sogar schon der gesundheitliche Nutzen von Kuhmilch umstritten. Aber bevor sich die Masse mit diesen Punkten auseinandersetzt, sich durch verschiedene Meinungen und Fakten liest, sich eine eigene Meinung bildet, wird lieber der Werbungsmaschinerie Glauben geschenkt - geht ja auch schneller, ist bequemer und beruhigt das Gewissen. Naivität kann ich da nicht unbedingt sehen – oder sind die Menschen wirklich so naiv und glauben das???

Otti:
Daß ich mich etwas in eueren Song "Spiel mit mir" vernarrt hab, weißt Du ja aus privater Hand... Welchen Stellenwert hat Sex in deinem Leben? Moralisten kritisieren ja an diesem offenen Umgang mit dem Thema, daß es auch zum Werteverfall der Gesellschaft beitrage, und daß Sex heutzutage schon eher als Sport und Hobby betrieben wird.

Lysz:
Ja, von Deiner Vernarrtheit weiß ich und es freut mich sehr! Das Thema Sex ist ja leider wirklich eher heikel und ich wusste nicht, wie die Zuhörer darauf reagieren würden. Der Text selber überkam mich, als ich schon fast eingeschlafen war: ich bin sofort aus dem Bett gesprungen und habe ihn niedergeschrieben. Sex ist in meinen Augen nicht nur etwas sehr, sehr Schönes und Wunderbares zwischen zwei (...) Menschen, Sex ist auch absolut natürlich. Mein Körper und meine Sexualität mit allen Vorlieben sind ein wichtiger und liebgewordener Teil von mir. Diesen Weg zurück zur Natürlichkeit muss man sich leider heutzutage oftmals erkämpfen, nachdem einem fast überall auf der Welt verschämt beigebracht wird, dass Sex etwas Anstößiges, etwas Dreckiges oder Verbotenes sei. Wo auch die Kirche mal wieder das ihrige dazu getan hat! Was bitte soll denn an Sex negativ sein, solange er freiwillig und gern ausgeübt wird? Ich denke eher, dass wir Menschen, mit tatkräftiger Unterstützung von Seiten der Kirche z. B., den natürlichen Bezug zu uns verloren haben. Das Natürlichste der Welt wird verteufelt: Hexen trieben es ja vorzugsweise mit dem Teufel ;) Da kann man doch nur in Gelächter ausbrechen. Oder das Keuschheitsgelübde: so was Unnatürliches... was soll daraus denn Gutes entstehen können? Es ist mir fast schon zu platt, auf all die Geistlichen hinzuweisen, die ihre Schutzbefohlenen sexuell missbrauchen. Sollen die Menschen sich doch sexuell miteinander austoben, ihre unterdrückten Wünsche und Sehnsüchte ausleben - bevor diese mit Gewalt z. B. an Kindern ausgeübt werden. An Sex ist nichts Böses, im Gegenteil: es ist ein Sport, es ist ein Hobby, es ist natürlich. Und ich sehe darin sicher keinen Grund für den Werteverfall der Gesellschaft!

Otti:
Da ich gerade im Chat gleich mit zwei Menschen drüber diskutiere, frag ich dich einfach mal nach deiner Ansicht. Was bedeuten für dich die Begriffe "Treue", "Monogamie" und "Beziehung"?

Lysz:
Treue ist das, was man innerhalb einer Beziehung miteinander vereinbart. Während ich heute mit Freundinnen wild knutschend in der Disko tanzen darf, bedeutete dies für meinen ehemaligen Freund schon fast einen Treuebruch. Ich lebe aber nun mal gern meine Leidenschaften, so dass ich mir überlegen muss, was mir wichtiger ist ;) Insgesamt bedeutet mir Treue aber sehr viel, ich halte darum die vereinbarten Grenzen auch ein. Bei Monogamie sind diese Grenzen schon verwaschener: ich bin zwar monogam und erwarte dies auch von meinem Freund. Allerdings haben wir für uns eine gemeinsame Ausnahme verabredet... Beziehung bedeutet für mich blindes Vertrauen in den Partner, Liebe, Kraftquelle und Entspannung. Eine Beziehung kann z. B. ein Wunder sein oder eine Heilung. Sie sollte dazu animieren, sich durch den Partner weiterzuentwickeln, neue Erfahrungen zu sammeln. Auf solch einer Ebene Sex zu haben, ist das Unglaublichste, was ich je erlebt habe. Dagegen können mir Menschen, die One-Night-Stands nachjagen, um ihr verkrüppeltes Ego kurzzeitig aufzupeppen, fast schon wieder Leid tun.

Otti:
Jetzt muss ich aber doch mal nachhaken... Zum einen betonst Du, daß man Sex als Sport und Hobby bezeichnen kann, jetzt verurteilst Du One-Night-Stand-Jäger als Menschen mit verkrüppeltem Ego. Widerspricht sich das nicht?
Lysz:

Lach! Nein: One-Night-Stand-Jäger sind sicher nicht rein generell Menschen mit verkrüppeltem Ego, solch eine Verallgemeinerung fällt mir schwer. Ich sagte lediglich, dass mir Menschen, die One-Night-Stands nachjagen, um ihr verkrüppeltes Ego kurzzeitig aufzupeppen, Leid tun könnten - das ist ein Unterschied. One-Night-Stands als schöne Erfahrung, als Hobby oder Sport, ist etwas völlig anderes, als wenn man Sex nur betreibt, um sein angeschlagenes Ego zu streicheln – wo bleibt da das Genießen, die Reinheit, wenn man immer nur sich selber vor Augen hat dabei? Konnte ich mich jetzt verständlicher ausdrücken?

Otti:
Das Leben und der Zufall inspirieren so herrlich zu Interviewfragen. Wo ich gerade Lacrimosa höre, was waren für dich so die Einstiegsbands in deiner Jugend, die dich auf deinen jetzigen musikalischen Weg gebracht haben? Und was bedeuten dir die Songs von damals heute?

Lysz:
Die Musik, die ich in meiner Jugend gehört habe, hat mich gar nicht dazu inspiriert, elektronische Musik zu machen. Früher habe ich eher gitarrenlastige Bands gehört wie "The Cure", "The Mission", "Sisters of Mercy", "Bauhaus", "Joy Division" oder später dann noch "Fields of the Nephilim" u. ä. Das waren und sind meine Helden. Zu elektronischer Musik kam ich erst durch meine persönliche Beziehung zu Welle: Erdball. Mittlerweile höre ich privat vor allem gern Sängerinnen wie "Kate Bush", "Björk", "Portishead" und neuerdings "Emilie Autumn", die mich natürlich auf verschiedenen Wegen beeinflussen. Die Musik aus meiner Vergangenheit höre ich heute dagegen nur noch, wenn es mir schlecht geht: Kerzen an, aufs Sofa gekuschelt und dazu laute Musik!

Otti:
Abgesehen von deinem Sofa. Was sind für dich Orte des Friedens und der Stille, an denen Du heute noch Ruhe finden kannst?
Lysz:
Jeder Wald, jede Wiese, die Natur überhaupt sind solche Orte für mich. Ein Leben ohne die täglichen Spaziergänge mit meinem Hund kann und mag ich mir gar nicht mehr vorstellen: es sind Augenblicke, in denen ich entspannt über so vieles nachdenken kann. Bei solch einer Gelegenheit entstand übrigens auch die Idee, Divamee zu gründen.

Otti:
Kommen wir noch mal ganz kurz zu deiner Zeit bei Welle: Erdball. Was war für dich das schönste, und was das lustigste Erlebnis aus dieser Epoche deines Lebens?
Lysz:
Das lustigste Erlebnis hatte ich auf der Bühne mit Kay Cat, ich glaube, in Zürich: wir wurden so sehr eingenebelt, dass wir sicher waren, von den Zuschauern nicht mehr gesehen zu werden. Da Kay Cat direkt vor der Nebelmaschine stand und jedes Mal ihr Rock hochflog, musste ich plötzlich lachen und wir fingen an, im Nebel rumzualbern und zu tanzen. Das ist für die steifen Welle: Erdball-Konzerte doch ziemlich untypisch gewesen. Ein schönstes Erlebnis gibt es dagegen so nicht. Im Nachhinein war das Schönste, die Möglichkeit zu haben, so viele Menschen kennen zu lernen, Städte und Länder zu bereisen und viele Erfahrungen machen zu können.


"An Sex ist nichts Böses, im Gegenteil: es ist ein Sport, es ist ein Hobby, es ist natürlich."

Otti:
Stell dir vor, Du wärst jetzt an meiner Stelle, und müsstest mich interviewen. Was wäre die Frage, die dir am meisten auf der Seele brennen würde?

Lysz:
Bist Du Vegetarier oder noch besser Veganer - und wenn nicht, warum nicht?

Otti:
Hehe, die Antwort darauf geb ich dir privat oder wenn Du mich tatsächlich mal interviewst. ;) Und warum würdest Du mir diese Frage stellen? Lysz:
Viele Menschen fühlen sich plötzlich zum ersten Mal selber mit dieser Frage konfrontiert, beginnen, über ihre Einstellungen diesbezüglich nachzudenken und ändern vielleicht die eine oder andere Tradition, Gewohnheit, wenn sie sehen, dass es auch anders geht. Diese Erfahrung habe ich schon sehr oft gemacht und darum werde ich nie aufhören, solche Fragen zu stellen, sei es im privaten Umfeld oder in meinen Liedtexten, auf der Bühne oder auf meinen Internet-Seiten. Deine Antwort auf diese Frage ist mir wichtiger als z. B. den neuesten Klatsch zu erfahren - Deine Einstellung zu unseren Mitgeschöpfen, zu Engagement, Aktivität und Nachdenken ist für mich um ein Vielfaches spannender!

Otti:
Und mal angenommen, du würdest für die Ewigkeit in einen Kerker gesperrt werden. Du hättest die Wahl zwischen Stalin, Hitler oder Hussein. Welcher wäre für dich das geringste Übel, und wieso?
Lysz:
Die Wahl zwischen drei Übeln ist irgendwie nicht ganz fair. Freiwillig würde ich mit keinem dieser drei Menschen zu tun haben wollen, vor allem nicht eine Ewigkeit lang. Intuitiv würde ich, wenn ich nun aber muss, antworten: Hitler. Adolf Hitler war der erste Mensch in meinem Leben, der mich gleichzeitig abgestoßen und fasziniert hat, was aber vielleicht auch einfach nur am Stil meines Lehrers lag damals. Wobei allerdings bekannt ist, dass Hitler genau diese Wirkung auf Menschen hatte und sie bewusst für seine Ziele eingesetzt hat. Fasziniert haben mich seine Ausstrahlung, seine Beziehung zu Eva Braun, seine paradoxe Tierliebe, sein rätselhafter Tod – abgestoßen haben mich selbstverständlich seine Taten. Ich bin nicht gegen die Todesstrafe – aber Menschen aus solch niederen Gründen abzuschlachten, dafür muss man krank und böse durch und durch sein. Als Kind habe ich das nicht verstehen können und es ist bis heute so geblieben. Und da ich Deutsche bin, haftet mir auf dieser Ebene natürlich Hitler mehr an als Stalin oder Hussein – zudem ist man als Kind sicher auch noch ungeschützter gegenüber solchen Schreckenstaten, als Erwachsene dagegen stumpft man irgendwann schon ein wenig ab. Nichtsdestotrotz ist dies eine sehr unangenehme Frage, weil ich damit Hitler als weniger übel als Stalin und Hussein setzen müsste, was ich aber nicht kann. Ich würde Hitler nur wählen, weil mich seine Taten in meiner Kindheit zutiefst schockiert und mitgenommen haben, und ich hier die Gelegenheit hätte, ihm all meine Fragen entgegen zu schreien, die ich an ihn habe. Und doch hoffe ich, dass ich niemals vor so eine Wahl gestellt werde!!!

Otti:
Nun haben wir ja ziemlich viele Gedanken und Themen angeschnitten. Welche Frage(n) hast Du in diesem Interview vermisst?
Lysz:
Eine spontane Antwort:
Keine! Fragen wie "was bedeutet der Name Divamee" werde ich noch öfter beantworten, aber solche weit gefächerten, intelligenten, interessierten und liebevollen Fragen werde ich wohl im Laufe eines Interviews nie wieder erleben dürfen. Ich kann Dir also keine Tipps für Deine zukünftigen Interviews geben ;) Bleib so, wie Du bist, und gib Dein Ziel nie auf!

Otti:
Was ist für dich das "Unwort" deines Lebens?
Lysz:
Oh, ich mag so was wie "Unwort des Jahres" nicht (das gehört nicht zu meiner Welt), darum kann ich Dir auch keine direkte Antwort geben. Aber ich kann Dir sagen, welche Wörter mich in meinem Leben wütend machen: Instinkt (als Degradierung von jeglichen tierischen Handlungen), Tradition und Gewohnheit. Das schönste und wichtigste Wort in meinem Leben, mit dem ich mich auch bei Dir bedanken möchte, ist: LIEBE.

Art des Interviews: Email
03.06.2007 by Otti
Divamee in unserer Band- und Künstlerdatenbank

Blättern: Vorheriger Artikel | Nächster Artikel
Wie Du uns unterstützen kannst:
Dir gefällt unsere Arbeit? Das ist toll! Allerdings kostet sie Zeit und Geld, daher würden wir uns wir uns über die Zahlung einer freiwilligen Lesegebühr freuen! Auch mit dem Einkauf in einem unserer Shops kannst Du uns unterstützen:
eBay | Cardmarket | Booklooker | Kleinanzeigen
Zudem würden wir uns freuen, wenn Du einen eventuell vorhandenen "Adblocker" deaktivierst und/oder unsere Website und Inhalte in die Welt teilst. Vielen Dank!

Weitere Beiträge zu Divamee:

01.03.2011Various Artists: 24 Years Of Rebellion(Rezension: Musik)
27.01.20071. Gothic-Aid Benefizfestival 2007(Bericht: Veranstaltungen)
22.07.2010Amphi Festival 2010: Finale News(Pressemeldung: Veranstaltungen)
05.08.2010Divamee: Video-Collage vom Amphi(Video: Musik)
08.05.2009Divamee: News(News: Musik)
ADCELL
ImpressumAllgemeine GeschäftsbedingungenDatenschutzerklärung

Postanschrift + Kontakt:
Nightshade - Frank van Düren
Landfermannstraße 9, 47051 Duisburg, Deutschland
Mail: info@nightshade-shop.de
Tel: 0203/39346380 | Mobil: 0170/3475907

Alle Rechte bei Firma Nightshade und Frank van Düren, ausgenommen eingetragene Markenzeichen der jeweiligen Hersteller und externe Webprojekte.
Konzept und Design 2001-heute by Nightshade/Frank van Düren.