Die heutige Zeit ist schnell, heftig und lässt kaum Zeit um sich mit Vergangenem
aufzuhalten. Viel mehr wird sich um die Zukunft gekümmert, alles muss neu, besser,
schneller und innovativer sein. Das gilt für jede Lebenslage und Branche und so
eben auch in der Musik. Wie schön, wenn man mal für einen Moment innehalten kann
und sich zurückerinnern darf, ohne danach Buße tun zu müssen, wegen verschwendeter
Zeit. Der Italiener Gianluca Divirgilio hatte mit seinem erstem Studioalbum
On A Sad Sunny Day eine Vision von einer zurückgeholten Kindheitserinnerung,
Auf The Enemy Inside wird diese Kindheit erneut verarbeitet, die Innovation
bleibt hier allerdings ein wenig auf der Strecke.
The Enemy Inside bewegt sich permanent auf der träumerischen Ebene, große
Sprünge und Gefühlsausbrüche, wie sie im vorigen Album durch Metaleinflüsse zu hören waren, bleiben
hier völlig aus. Verträumt leitet Music´s Like... in die folgenden
vierzig Minuten des Loslassens ein. Von Anfang an wird klar, dass der Solokünstler
sein Handwerk versteht. Herausragende Melodien treten in den Hintergrund und
bilden einen Gesamtvorhang aus malerischen Sounds. Dazu Gianlucas klare Stimme,
die direkt aus dem Herzen den Satz "Music´s like a memory that never dies" formt
und die Einleitung ist perfekt. Der Gesang wird insgesamt sehr minimal gehalten
und lenkt somit nicht von den musikalischen und gleichzeitig großartigen
Fähigkeiten ab.
Beim zweiten "Song" Bambini Piangete wird die entspannte Stimmung für einen
Moment gebrochen, durch verstörende Keyboard-Sounds und Kinderstimmen im
Hintergrund. Und das war es dann auch schon mit Song Nummer zwei. Ein kleiner
Einspieler, übersetzt heißt das soviel, wie "Die Kinder weinen", aber doch nicht
ganz so nötig, wie der Künstler es vielleicht vor Augen hatte. Mit Idiot Adult
wird wieder in die sanften Saiten gegriffen, ein leises Keyboard untermalt den
weder herzzerreißenden noch präzisierten Gesang, am Ende darf dann die Gitarre
nochmal zupfenderweise ein wenig verzerren und die Melancholie klingt wieder mit
Gesang aus. Schöner Song, trotz gutem Arrangement ohne Höhen und Tiefen.
Da der Gesang bei diesem Gesamtwerk sowieso nicht im Vordergund steht, wird
er bei Catartic Cartoons direkt ganz weggelassen. Diesen Song darf man
wirklich als recht rockig bezeichnen, auch wenn er seine Vielfalt zunächst unter
bekannten Gegebenheiten versteckt.
Markant für den ganzen Silberling ist die melodiöse Gitarrenspur, leicht verzerrt,
leicht hallig, die mit wiederkehrenden Einzeltönen sich in jedem Song zu Wort
meldet. So beginnt der Namensgeber The Enemy Inside genau so und lässt
sich auf ein musikalisches Intermezzo mit den Gesangslines ein. Hat man bisher
träumen können, so wird man sich auf die nächsten Tracks freuen, denn so geht es
imemr weiter. Vom eher bedeckt gehaltenen Melancholy Is Not Only For Soldiers
über den recht euphorischen Loss And Love, bei dem wunderschöne Zweitstimmen
mitarbeiten durften, bis hin zum groovigen Trentasette wird die gleiche
lauschige Schiene gefahren.
Friedvoll und idyllisch kommt The Enemy Inside daher. Zarte Melodien
streifen den musikalischen Horizont, werden vorangetrieben von durchgehenden
Rhythmen und enden in einer kristallklaren aber zurückhaltenden Stimme. Und das
bei elf harmonischen Tracks, geschrieben von einem einzigen Musiker, was das
Gesamtbild umso eindrucksvoller macht. Beim kompletten Durchhören, bekommt man
zwar schnell das Gefühl, dass die Lieder sich weder vor- noch zurückbewegen und
"War das nicht der gleiche Song wie eben?" aber das dürfte am Genre selber liegen.
Arctic Plateau haben einen ganz bestimmten Erinnerungseindruck auf den Punkt
gebracht und obwohl The Enemy Inside nicht für jede Lebenslage geeignet ist,
sollte man dieses Schätzchen zum heimeligen entspannen im Schrank haben.
Wem malerischer Post-Rock ohne Druck und Schwankungen zu glattgebügelt ist, der
sollte hier die Finger von lassen. Reinhören und sich neue Eindrücke verschaffen
ist immer gut, aber seid gewarnt vor gleichen Schemen und, trotz verschiedenst
erarbeiteten Arrangement, keinen großen Abwechslungen. Eindrucksvolles Gesamtwerk,
aber eher für den lauschigen Kuschelabend als für die lustige Spielenacht
geeignet.
Anspieltipps
Idiot Adult
The Enemy Inside
Loss And Love
Trackliste
01. Music´s Like...
02. Bambini Piangete
03. Idiot Adult
04. Abuse
05. Catarctic Cartoons
06. The Enemy Inside
07. Melancholy Is Not Only For Soldiers
08. Loss And Love
09. Big Fake Brother
10. Wrong
11. Trentasette
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Veröffentlichung: 17.02.2012
Stil: Dreamy Post-Rock
Label: Prophecy Productions
Website: http://www.arcticplateau.com/
MySpace: http://www.myspace.com/arcticplateauinfo
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